Einige Gedanken zum Entscheid des EuGH bezüglich Facebook-Fanseiten-Mithaftung

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass Betreiber von Facebook-Seiten für die Einhaltung des Datenschutzes im Social Network verantwortlich sind. Damit hat – wieder einmal – eine europäische Institution bewiesen, dass Konflikte zwischen politischen und wirtschaftlichen Riesen auf dem Rücken der Bürger sowie von kleinen Unternehmen und Freiberuflern ausgetragen werden. Man muss es sich doch einmal auf der Zunge zergehen lassen und einige Vergleiche bemühen:

 

– Wenn ich einen Trödelmarktstand auf einem Supermarktparkplatz buche, bin ich nun dafür mitverantwortlich, wenn dort jemand in einem Schlagloch stolpert.
– Wenn ich eine Lesung in einer Kneipe halte, bin ich dafür mitverantwortlich, wenn dort jemand auf der nassen Toilette ausrutscht.
– Wenn ich zum Geburtstag in ein Restaurant einlade, bin ich mitverantwortlich, wenn der Koch verdorbene Ware in der Küche verwendet und sich meine Gäste (inklusive ich) sich eine Lebensmittelvergiftung holen.

 

Irrsinn, nicht wahr? Und das Urteil des EuGH, das in erster Linie auf dem deutschen Datenschutzgesetz, auf Umwegen aber auch der umstrittenen DSGVO basiert, sagt im Sinn nichts anderes. Ich nutze mit Facebook eine Infrastruktur als Plattform, aber jeder kann selber entscheiden, ob er sie nutzt oder nicht. Niemand ist dazu gezwungen, sich bei Facebook anzumelden und jeder hat die Möglichkeit, vorher die AGBs und die Datenschutzbestimmungen zu lesen. Dasselbe gilt für Youtube, Pinterest, Twitter, Snapchat, etc. Und es bezieht sich ja nicht nur auf Social Media, sondern auf jegliche Internet-Infrastruktur, die ich in Anspruch nehme. Sich durch die Datenschutzangaben jedes genutzten Social Media Kanals zu wühlen und dafür geradezustehen ist schlichtweg unmöglich (für Nichtjuristen und Nicht-IT-Fachleute sowieso). Vielleicht können das große Firmen oder AGs mit umfangreichen finanziellen, juristischen und personellen Möglichkeiten. Der kleine Verein, Fan, Freiberufler, Autor kann es nicht. Der EuGH sowie die Gesetzgeber mit ihren Vorgaben beweisen mal wieder, dass sie die Materie und die Konsequenzen ihrer Entscheidungen nicht auch nur ansatzweise verstehen. Die EU wird (nach der Umsetzung der DSGVO) mal wieder ihrem Ruf gerecht, ein bürgerfeindliches Bürokratiemonster zu sein, dessen absurde Gesetzgebung den Bürgern (ja, als Autor und Freiberufler zähle ich mich dazu) nur Steine in den Weg legt. So sehr ich den Grundgedanken von Europa und EU liebe, so verachte ich doch oft, was inzwischen daraus geworden ist.

 

Und was bedeutet nun die Entscheidung des EuGH für mich als Autor? Schalte ich meine Social Media Kanäle – inklusive WordPresshomepage – nun ab, wie es die juristischen Kommentare eigentlich nahelegen? Nein – natürlich nicht. Social Media ist als Autor mein größtes Marketingwerkzeug, um meine Leser zu erreichen. Das Abschalten käme wirtschaftlichem Selbstmord gleich. Will ich als Autor weiterexistieren, werde ich von dem EuGH nun dazu gezwungen, für die Taten von Facebook und Co. geradezustehen und das Abmahnrisiko hat sich nach der DSGVO nunmehr nochmals weiter erhöht. Die Telefonnummer des nächsten Medienanwalts liegt bereits in der obersten Schublade meines Schreibtisches. Dafür danke ich dem EuGH, der deutschen und der europäischen Politik sehr herzlich.

Bild: Von Cédric Puisney from Brussels, Belgium – European Court of Justice – Luxembourg, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=34942382


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4 Kommentare

  1. Hallo Herr Bourauel,

    hier einmal ihr erstes Beispiel, wie es meiner Meinung nach eher dem entspricht was der EuGH geurteilt hat.

    Mein Geschäftsmodell besteht darin möglichst viele Leute auf meinem Flohmarkt in Schlaglöchern stolpern zu lassen (Für das Gedankenexperiment verkaufe ich denen Krücken oder so).
    Um die Leute anzulocken, brauche ich natürlich möglichst viele Standbetreiber. Daher kosten die Stände bei mir nichts. Ich hole die Verkäufer auf Wunsch sogar von zu hause ab und dekoriere alles schön.
    Und das funktioniert. Jeden Tag ist der Platz voll, fast alle kaufen meine Krücken. Und das, obwohl ich aus der ganzen Sache kein Geheimnis mache. Jeder kann das wissen, wenn er kurz in meine agb schaut.

    Wenn Sie jetzt also bei mir einen Platz buchen, sind Sie dann mitverantwortlich für die gestolperten Gäste?

    viele Grüsse
    Daniel Marohn

  2. Wieder mal billiges EU bashing und die DSGVO nicht verstanden. Das Internet ist voll von durchaus brauchbaren Erklärungen der DSGVO, bitte zuerst schlau machen und dann drüber schreiben!

    Liebe Grüße, Max

  3. Zwei Faktoren haben Facebook zu einer Institution gemacht, an der die meisten Leute nicht mehr vorbeikommen, oder zumindest es meinen. Die Platform ist nur einer davon. Der andere sind die zahlreichen „early adopters“ und Seitenanbieter, die sich von Anfang an einen Dreck um AGBs und Facebooks Geschäftsgebaren geschert haben.

    Als Seitenbetreiber sind Sie damit persönlich mitverantwortlich, dass so viele Leute nicht an Facebook vorbeikommen. Deshalb entspricht es (unabhängig von der rechtlichen Bewertung des EuGH) genau meinem Gerechtigkeitsempfinden, wenn Sie auch für Datenschutzprobleme mitverantwortlich gemacht werden.

  4. Wir sollten uns um eine lebenswerte Zukunft für Menschen bemühen. Plattformen wie facebook gehören nicht wirklich dazu, weil sie sich nicht um alle Menschen kümmern, sondern die Interessen einer kleinen Gruppe bedienen auf Kosten vieler anderer. Datenschutz, Wahrheit, Verständnis, Empathie, … auch Chancengleichheit bleiben auf der Strecke.

    Ja, es ist ein Marketinginstrument. Schade, daß Sie meinen, es nutzen zu müssen. Manche Medizin ist wirksam, aber wegen der katastrophalen Nebenwirkungen wird sie trotzdem nicht eingesetzt.

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